Wie es zu den Exerzitien kam…

Die Eingebung der Tugenden und die Gründung der Exerzitiengemeinschaft

In einer Eingebung wurden Maria von Moos im Jahr 1969 die „fünf Tugenden des Herrn“ im Gleichnis der Hände aufgezeigt: Bereitschaft im Glauben – Geduld in der Hoffnung – Demut in der Freude – Selbstverleugnung in der Busse – Liebe in der Hingabe. Gleichzeitig bekam sie den Befehl, zu gründen. Sie betete und fragte: „Was willst Du, was ich tun soll? Wie soll ich gründen? Ich kann doch nicht bauen und habe ja auch kein Geld?“

Inzwischen diktierte sie ihrem geistlichen Begleiter, Pfarrer Ernst Peterhans, die Tugenden aus der Eingebung. Er arbeitete sie aus und versah sie mit Bibelstellen. So erschien das Gedankengut der fünf Tugenden zuerst in Auszügen. Ein interessierter Personenkreis wurde in Einkehrtagen in verschiedenen Bildungshäusern in die Tugenden des Herrn eingeführt. 1978 erschien dann die erste Auflage des Buches „Christ wohin?“.

Unterdessen betete Frau von Moos und fragte immer wieder im Gebet: „Vater im Himmel, was muss ich tun? Und wäre es nicht besser, wir hätten etwas Eigenes?“ Doch sie erhielt keine Antwort. Beharrlich betete sie weiter. Sie erhielt wieder die Antwort: „Du musst gründen!“ Darauf antwortete sie: „Aber ich hab doch kein Geld.“ Da bekam sie die Antwort: „Du brauchst kein Geld. Du kannst mieten!“

Während der Sommerferien 1980 betete sie auf einer Wallfahrt in Assisi zum Heiligen Franziskus und zur Heiligen Klara: „Ihr habt ja auch arm gelebt und kein Geld gehabt. Was soll ich tun?“ Und immer wieder fragte sie im Gebet Jesus Christus: „Sag mir: Was soll ich tun? Und wann und wo?“

Mit einer Freundin besuchte sie die Lieblingseinsiedelei des Heiligen Franziskus, La Verna. Auf dem Weg zur Kapelle an dem Ort, an dem der Heilige Franziskus die Wundmale empfangen hatte, blieb sie auf einmal stehen. Ihre Freundin ging einfach weiter, sie bemerkte nichts. Frau von Moos wurde in eine Schauung versetzt und Christus zeigte ihr einen Ort mit einer Kapelle oberhalb eines Sees. Gegenüber dem Eingang ein Wegkreuz, rechts ein Restaurant mit einem gekiesten Vorplatz und einem landwirtschaftlichen Betrieb, 200 Meter davon entfernt, am Waldrand, eine Hütte, links neben der Kapelle einen Weg hinunter durch den Wald zu einer Grotte. Sie müsse hier eine Gemeinschaft gründen. Hier sei der Ort, wo Exerzitien stattfinden sollten. Darauf fragte sie: „Ja, aber wie und wann?“ Darauf wurde ihr die Form und das Datum der Exerzitien geboten: Die Hütte am Waldrand könne für die Exerzitien gemietet werden. Es reiche ein Strohsack als Lager (wir bekamen alte Matratzen wie aus Turnhallen und Besuch von Mäusen), zum Essen Suppe und Brot. Die Teilnehmer sollten als Zeichen der Einheit und Gleichheit vor Gott und zum Zeichen der Buße ein aschefarbenes Kleid in Kreuzform tragen, einen Bußgürtel, daran einen Rosenkranz und ein Kreuz mit den Fünf Wundmalen Jesu Christi.

Weiter gebot der Herr: Die Teilnehmer an den Exerzitien sollten in das betrachtende Gebet des Rosenkranzes eingeführt werden. Dieser dürfe kein Lippengebet sein, sondern er müsse betrachtend und in der Gesinnung Jesu Christi gemäß den Fünf Tugenden gebetet werden. Und: Der Rosenkranz soll täglich von den Mitgliedern der Gemeinschaft gebetet werden. Auch das Datum für die ersten Exerzitien wurde in der Schauung genannt: Der 26. Oktober 1980.

Im Haus der schwedischen Franziskanerinnen in Assisi vertraute sie ihrem geistlichen Begleiter, Pfarrer Peterhans, die Schauung unter dem Siegel des Beichtgeheimnisses an.

Aus den Sommerferien heimgekehrt, rückte das Datum der ersten Exerzitien immer näher. Deshalb begab sich Frau von Moos von Romanshorn nach Amriswil zu Pfarrer Peterhans und bat ihn, mit ihr das Bodenseegebiet abzufahren, um den in der Schauung beschriebenen Ort zu finden. Ohne Erfolg kehrten sie zurück. Pfarrer Peterhans war ziemlich ratlos und machte sich viele Gedanken, die ihn in den Schlaf begleiteten. In der Nacht hatte er einen Traum. Als er aufwachte, kam ihm der Traum in den Sinn und er erinnerte sich, dass es sich bei dem beschriebenen Ort um die Wallfahrtsstätte Klingenzell handelte. Als Präses der Jungwacht Schaffhausen hatte er dort Jugendfreizeiten geleitet. Noch am selben Tag begab er sich mit Maria von Moos nach Klingenzell. Als sie eintrafen, rief sie: „Das ist der Ort, den ich in der Schauung gesehen habe, alles stimmt überein. Die Kapelle, gegenüber das Wegkreuz, das Restaurant mit dem Landwirtschaftsbetrieb und dahinter, am Rand des Waldes, die Hütte. Dazu der Untersee und der Grottenwald.“ Sie konnten die Hütte auch sofort besichtigen, weil gerade eine Jugendgruppe darin tagte. Jetzt musste diese Hütte nur noch frei sein für den 26. Oktober. Am selben Abend telefonierte Pfarrer Peterhans mit dem Verantwortlichen für die Jungwacht, Herrn Baumann aus Schaffhausen und fragte an, ob die Hütte frei sei. Dieser verneinte. Für den 26. Oktober habe eine Gruppe die Hütte bereits fest gebucht. Enttäuscht brachte er Frau von Moos die Nachricht und sagte: „Du hast dich getäuscht. Hast du dir alles nur eingebildet ?“ Sie antwortete ihm: „Ich habe mich nicht getäuscht. Der Herr hat es so bestimmt. Und da er es will, wird es auch mit dem Termin klappen.“ Nach mehreren Tagen rief Herr Bauman bei Pfarrer Peterhans an und teilte ihm mit, dass die Buchung der Hütte auf 26. Oktober kurzfristig abgesagt worden sei. So konnten die ersten Exerzitien gehalten werden. Ohne Unterbrechung fanden sie nun monatlich bis Oktober 1995 in Klingenzell statt.

Mit der Zeit wurde die Hütte für die steigende Anzahl der Exerzitienteilnehmer zu klein. Auch die sanitären Anlagen ließen zu wünschen übrig. Wir bekamen in Klingenzell die feudale Schloßscheune zur Miete angeboten und hielten dort für einige Monate bis September 1996 die Exerzitien. Eines Tages aber sagte Christus vom Kreuz herab: „Maria, hier kannst du nicht bleiben. Es gefällt mir hier nicht. Du musst wieder gehen.“ Sie antwortete: „Ja, aber wohin? Bitte sage mir, wohin wir gehen sollen. Wo muss ich suchen?“ Sie bekam zur Antwort: „Nicht du musst ein neues Lager suchen, sondern ich suche es dir aus.“ Pfarrer Peterhans gab ein Inserat in der Zeitung auf – doch wir fanden kein brauchbares Objekt. Mitte September 1996 kam ein Treuhänder in Amriswil auf ihn zu und bot eine Liegenschaft, ein Ausstellungsgebäude mit einer Lagerhalle auf einem grossen Areal in Altnau, zur Besichtigung an. Bereits 1986 hatten wir eine kirchliche Stiftung für die sorgfältige Verwaltung der Spenden an die Gemeinschaft errichtet. Da die Räume in dem Ausstellungsgebäude wie Räuberhöhlen aussahen, war der Stiftungsrat bei der Besichtigung gegen den Kauf: „Maria, das geht doch nicht. Das ist viel zu teuer. Da müssen wir viel zu viel Geld hineinstecken. Das ist ein unmögliches Unterfangen, hier in zwei Wochen Exerzitien zu halten.“ Sie antwortete Ihnen: „Ich brauche nur einen Besen, Wasser und einen Lappen zum Putzen und Ihr werdet sehen, dass die Exerzitien termingenau stattfinden.“ So konnten wir am Samstag, den 26. Oktober 1996 in einem provisorischen Andachtsraum in aller Einfachheit die ersten Exerzitien in Altnau beginnen. Die Handwerker aus unserer Gemeinschaft bauten in den folgenden Monaten in Eigenarbeit das Ausstellungsgebäude in ein Exerzitienhaus um. Im Untergeschoss richteten wir eine Hauskapelle ein, die Regionaldekan Erich Häring 1997 im Auftrag von Bischof Kurt Koch einweihte. Vom Kreuz in der Hauskapelle herab sagte unser Herr zu Frau von Moos: „Hier bleibe ich. Von hier gehe ich nicht mehr fort“.

Die Exerzitien sind eine Bestimmung der göttlichen Vorsehung. Sie finden bis zum heutigen Tag regelmäßig statt. Die Gemeinschaft hat sich im Stillen in den letzten fünfunddreißig Jahren immer weiter entwickelt. Sie lässt sich ganz von der Vorsehung Christi leiten. Er bestimmt. Er wirkt. Er hat sich einquartiert.

Im Dezember 2014 hat die Exerzitiengemeinschaft nach Prüfung aller Unterlagen die kirchenrechtliche Belobigung und Empfehlung durch den Bischof der Diözese Basel, Dr. Felix Gmür, erhalten. Weihbischof Martin Gächter schreibt dazu, dass die Diözese die gute Zusammenarbeit der Gemeinschaft mit den Ortspfarreien im neu errichteten Pastoralraum Altnau begrüßt. Er wünscht unserer Gemeinschaft die „Kraft des Heiligen Geistes für die zukünftigen Anstrengungen für die Neuevangelisierung im Geist des apostolischen Schreibens „evangelii gaudium“ (Die Freude des Evangeliums) von Papst Franziskus.

Für die Richtigkeit der Angaben
Altnau, 7. März 2016

Pfarrer Edwin Stier
Geistlicher Leiter